Urteil: Behandlungskosten für angefahrenen Hund...

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Fleckenzwerg
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Urteil: Behandlungskosten für angefahrenen Hund...

Beitrag von Fleckenzwerg »

AG München: Behandlungskosten für angefahrenen Hund dürfen Wert des Tieres übersteigen

zu AG München, Urteil vom 06.12.2013 - 344 C 1200/13.

Wer einen nicht ordnungsgemäß angeleinten Hund an einer Tankstelle anfährt und verletzt, hat die Behandlungskosten grundsätzlich unabhängig vom Wert des Hundes zu erstatten. Dies stellt das Amtsgericht München klar. Allerdings müsse sich der Hundehalter bei unsachgemäßem Anleinen des Hundes ein Mitverschulden zurechnen lassen (Urteil vom 06.12.2013, Az.: 344 C 1200/13, rechtskräftig).

Hund angefahren – 2.200 Euro Behandlungskosten

Die Klägerin ist Eigentümerin und Halterin eines Terrier-Mischlings, für den sie 175 Euro bezahlt hat. Am 25.07.2011 befand sie sich mit dem Hund gegen 16.45 Uhr auf dem Gelände einer Tankstelle. Den Hund leinte sie im Eingangsbereich zum Tankstellengebäude an, indem sie die Leine um den dort aufgestellten Abfalleimer wickelte und das Ende der Flexi-Leine in die Öffnung des Mülleimers legte. Der beklagte Fahrer eines Klein-Pkw fuhr zwischen den Tanksäulen und dem Eingangsbereich zum Gebäude an dem Hund vorbei und fuhr ihn an. Das Tier zog sich eine Bänderschädigung an den Hinterläufen zu und brach sich zwei Mittelfußknochen. Es musste operiert werden, wodurch Behandlungskosten in Höhe von 2.200 Euro entstanden sind.

Fahrer hält Höhe der Behandlungskosten für unverhältnismäßig

Die Klägerin verklagte den Fahrer auf Bezahlung der Behandlungskosten. Dieser weigerte sich zu zahlen. Er gibt an, den Hund nicht bemerkt zu haben. Der Unfall sei von der Tierhalterin schuldhaft verursacht worden, da sie den Hund nicht ordnungsgemäß angeleint habe und damit habe rechnen müssen, dass er auf die Fahrbahn läuft. Im Hinblick auf den Wert des Hundes, der an weiteren Erkrankungen litt und bereits acht Jahre alt war, seien die Behandlungskosten unverhältnismäßig hoch.

AG verweist auf Gebot zur gegenseitigen Rücksichtnahme

Die Richterin verurteilte den Fahrer zur Zahlung von 1.650 Euro. Auf dem Tankstellengelände gelte – vergleichbar mit Parkplätzen – in erhöhtem Maß für Fahrzeugführer das gegenseitige Rücksichtnahme-Gebot, da stets mit ein- und ausfahrenden Fahrzeugen, aber auch mit Personenverkehr vor allem im Bereich des Tankstellengebäudes zu rechnen sei. Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Pkw-Fahrer den Hund wahrgenommen hat und deshalb von ihm eine erhöhte Aufmerksamkeit zu erwarten gewesen wäre. Er hätte unter diesen Umständen sogar von einer Vorbeifahrt vollständig Abstand nehmen und warten müssen, bis die Klägerin ihren Hund aus dem Gefahrenbereich entfernt. Da er dies nicht getan habe, sei er verantwortlich und müsse sich die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr zurechnen lassen. Allerdings stellte das Gericht auch ein Mitverschulden der Hundehalterin fest. Diese hätte den Hund so festleinen müssen, dass dieser unter keinen Umständen über den Vorplatz der Eingangstüre hinaus in die Fahrgasse hätte kommen können. Das AG hielt ein Mitverschulden von 25% für sachgerecht und angemessen.

Ideeller Wert des Tieres bei Schaden mit zu berücksichtigen

Zur Schadenshöhe stellte das Gericht klar, dass durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20.08.1990 geregelt wurde, dass Behandlungskosten bei einem Tier auch dann ersatzfähig sein können, wenn diese den materiellen Wert des Tieres erheblich übersteigen. Das Gesetz berücksichtige nunmehr auch den ideellen Wert. Folglich könnten Tiere nicht uneingeschränkt wie Sachen behandelt werden, deren Wert ausschließlich materieller Art ist. Aber anders als beim Menschen gebe es bei Tieren eine Obergrenze, jenseits derer die Heilungskosten unverhältnismäßig seien und damit nicht ersetzt werden müssten. Kriterien dazu enthalte das Gesetz nicht. Grundsätzlich spielten dabei der Wert des Tieres und sein Alter lediglich eine untergeordnete Rolle.

Erfolgsaussicht der Behandlung entscheidend

Die Höhe der Erfolgsaussicht der Behandlung spiele insoweit eine Rolle, als umso höhere Kosten aufgewendet werden dürften, je höher die Erfolgschancen der Heilbehandlung seien. Im vorliegenden Fall sei die Behandlung der Verletzungen ohne großes Risiko möglich und bei normalem Verlauf eine vollständige Wiedergenesung zu erwarten gewesen. Das Gericht habe daher mit Blick auf den im Tierschutzgesetz niedergelegten Gedanken des Schutzes der lebenden Natur die angefallenen Heilbehandlungskosten für verhältnismäßig erachtet. Wegen des 25%-igen Mitverschuldens der Hundehalterin seien daher 1.650 Euro zu erstatten.


Es ist schon traurig, dass man sich über das Urteil freut - sollte es nicht eine Selbstverständlichkeit sein?
LG Claudia & Lizzy - die Fleckenzwerge für immer im Herzen

Wer sagt "Glück kann man nicht anfassen" hat noch nie einen Hund gestreichelt.
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